Selbstverantwortung: eine chassidische Geschichte
In der chassidischen Überlieferung des Ostjudentums gibt es die Geschichte vom Rabbi Eisik. Der lebte in Krakau und träumte eines Nachts, er solle nach Prag wandern. Dort, unter der Karlsbrücke, die hinüberführt zum Schloss, werde er einen Schatz finden. Er träumte das dreimal und wanderte los - von Krakau nach Prag. Aber in Prag an der Brücke standen ganz viele Wachposten, die den Übergang zum Schloss Tag und Nacht bewachten. Rabbi Eisik konnte es nicht wagen, seine Schaufel zum Graben anzusetzen. Er ging nun jeden Tag zur Brücke, lungerte dort herum und überlegte, wo nun wohl sein Schatz liegen könnte. Dem Hauptmann der Wache fiel der Rabbi auf und schließlich fragte er ihn eines Tages: »Warum kommst du jeden Tag hierher und lungerst hier herum?« Da erzählte Rabbi Eisik dem Hauptmann von seinem Traum. Der Hauptmann lachte aus vollem Hals und erwiderte: »Wo kämen wir hin, wenn wir Träumen trauen würden? Ich zum Beispiel träumte nun schon wochenlang von einem armen Juden in Krakau. Ich solle nach Krakau wandern und unter dem Ofen in seiner Stube graben, dort würde ich einen Schatz finden.« Rabbi Eisik lächelte, als er von diesem Traum hörte, verneigte sich, bedankte sich höflich bei dem Hauptmann und wanderte zurück nach Krakau. Dort angekommen, grub er schleunigst unter seinem Ofen, und da lag der Schatz. Später, als Rabbi Eisik ein berühmter Weiser des Chassidismus geworden war, pflegte er zu sagen: »Merke dir diese Geschichte. Grab nicht woanders, grab bei dir.«
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